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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
JAZZ
Zur schönen Aussicht
WILLKOMMEN
Jazzhausmusik CD
(
60
’)
„Hasenkot“, Waldlöwenjagd“ oder
„Tango de Techno“ heißen die
Songs, die Paul Berberich auf Saxo-
fon und Flöte, Joachim Wespel an
der Gitarre und Florian Lauer am
Schlagzeug präsentieren. Mit einer
gehörigen Freiheit und Frechheit,
denn sie spannen durchaus Rock
und/oder schon mal Free Jazz vor
ihren Karren, wenden ihn dann aber
unversehens ins Lyrisch-Melodi-
sche, bürsten ihre Themen von hin-
ten nach vorne und wieder zurück.
Auf einmal ist da im bunten, spiel-
freudigen Wirrwarr eine schüchter-
ne Flöte zu hören. Dann wieder ein
verschärftes Miteinander von Gitar-
re und Saxofon. An Überraschungen
bietet diese Musik vieles.
T.U.
MUSIK ★
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KLANG ★
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Peter Fessier
INTRO DA VIDA
Minor/In-Akustik CD
(
42
')
Die Liebe zu Brasil-Klängen prägt
Peter Fesslers Musik seit seinem
Welthit „New York, Rio, Tokio“
(1986). Auf dem neuen Soloalbum
begleitet er seine klare Stimme und
seinen lautmalerisch-wortlosen Ge-
sang, den er „Fesperanto“ nennt,
selbst auf der Konzertgitarre, wo-
bei der sanfte Stil eines Baden Po-
well grüßen lässt. Von diesem sowie
von Marcos Valle stammen die ein-
zig wirklichen Brasil-Nummern des
Albums, doch auch mit den eige-
nen Stücken oder Schuberts „Ständ-
chen“ schafft Fessler entpannte,
Bossa-Nova-nahe Atmosphäre. Sein
„Fesperanto“ freilich, so unverwech-
selbar es auch sei, wirkt auf die Dau-
er aufdringlich.
klm
MUSIK ★
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KLANG ★
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SLOWLY ROLLING CAMERA
Edition Records CD (auch als LP erhältlich)
(
60
')
Was ist das? Ein bisschen Soul, Psy-
chedelic, Loungejazz, Indie Pop,
Streichereinsatz, dazwischen wun-
derschöne Vocals von Dionne Ben-
nett. Bei so viel ein bisschen muss
man die Kategorien beiseite las-
sen und zuhören. Dave Stapleton,
der für die Komposition einsteht,
lässt Töne aus den Fender Rhodes
tropfen, streut breite Sounds. Mark
Lockheart bläst das Saxofon da-
rüber. Ein bisschen klingt alles nach
Kulisse und Filmmusik, wie es der
Titel nahelegt. Warum nicht? Al-
les ist gut gemacht: Die Musik von
Slowly Rolling Camera hat Kraft,
ohne sich anzustrengen. Sie bettet
sich stilistisch, wo sie will. Schön!
T.U.
MUSIK ★
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KLANG
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DUO ART - THE NEW TRADITION
ACT CD________________________ (
4 8
)
„Sleep Safe And Warm“ ist eine un-
endlich schmalzig-schöne Melodie
vom Komponisten Krzysztof Kome-
da - aber man muss sich einmal an-
hören, wie fragil und karg im Ton
Adam Baldych diese Filmmelodie
auf seiner Violine streicht. Yaron
Herman nimmt sie später am Kla-
vier auf, stützt sie mit eigenen Ak-
korden. Ganz schnell verfällt man
Komeda zum x-ten Mal - und dazu
diesen beiden Ausnahmemusikern!
„Der Albumtitel ,The New Tradi-
tion“1, Baldych sagt es in den Liner
Notes, „ist ein bedeutsamer für
mich. Die Tradition ist mein Refe-
renzpunkt. Wer bin ich? Wo komme
ich her? Wohin gehe ich? Klassische
Musik, polnische Volksmusik, pol-
nischer Jazz - das sind meine Tradi-
tionen, die mich geprägt haben und
auf die sich meine Musik bis heu-
te bezieht.“ Man hört es, wenn Bal-
dych Thomas Tallis oder Hildegard
von Bingen arrangiert und inter-
pretiert, daneben Zbigniew Seifert
stellt und eigene Songs einstreut.
Auch Herman hat die europäische
Kunstmusik inhaliert, spielt impres-
sionistisch und neoromantisch.
Beide Musiker scheuen sich
nicht, Emotionen zu zeigen - im
Gegenteil: Aber sie brauchen kei-
ne zusätzlichen Streicher, keinen
Keyboard-Weichzeichner. Das ist
gut, weil so ihre instrumentalen Fä-
higkeiten ganz unverstellt im Raum
stehen. Baldych und Herman haben
sich die Bühne der Berliner Philhar-
monie geteilt, weil Produzent Siggi
Loch die beiden bei dem vom ihm
kuratierten „Jazz At Philharmonic“
zusammengeführt hat. Dort haben
sie sich kennengelernt, fühlten so-
fort eine intuitive musikalische und
improvisatorische Nähe. Melancho-
lisch ist diese Musik, gefühlsseelig,
sie will berühren, den Zuhörer um-
standslos eingemeinden. Mit jeder
Phrase spürt man, wie Baldych und
Herman einander zuhören und in-
teragieren: virtuos und hochemo-
tional.
Tilman Urbach
MUSIK ★
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KLANG ★
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Adam Bal-
dych (links)
und Yaron
Herman
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
KEITH JARRETT
CHARLIE HADEN
Keith J a rre tt/C h a rlie Haden J
LAST DANCE
ECM/Universal CD
(
76
)
Obwohl viele Themen aus „The
Great American Songbook“ bereits
von Legionen von Musikern aus dem
Jazz und der leichten Muse in unter-
schiedlicher Qualität gespielt wur-
den, hatte das wenig Einfluss auf die
unvergänglichen Melodien. Selbst
aus dem dürftigsten Remake leuch-
tete immer noch ein Schimmer ihrer
melodischen Essenz. Zum wahren
Genuss geraten Evergreens-Inter-
pretationen aber erst dann, wenn sie
von Musikern aufgegriffen werden,
die sie wie Keith Jarrett mit neuen
kreativen Inhalten versehen.
In der Vergangenheit nahm der
Pianist mit dem Bassisten Charlie
Haden zahlreiche Einspielungen in
Trio- und Quartett-Besetzung auf.
Dazu kam die im März 2007 ent-
standene Duo-Einspielung „Jas-
mine“, die auf Anhieb begeister-
te. Daran schließt jetzt die CD „Last
Dance“ an. Die bislang unveröffent-
lichten Stücke stammen von Cole
Porter („Everytime We Say Good-
bye“) und Kurt Weill & Ira Gershwin
(„My Ship“), um nur einige aufzu-
zählen. Sie werden von dem Duo
in einer Eleganz reflektiert, die den
Charme vergangener Zeiten mit ei-
nem zeitgemäßen improvisatori-
schen Ansatz verbindet.
Zwei „klassische“ Themen aus
dem Fundus des Modern Jazz, die
von den Pianisten Thelonious Monk
und Bud Powell stammen, schie-
ßen jedoch den Vogel ab: Eigent-
lich ist „’Round Midnight“ eine ru-
hige, atmosphärische Ballade. Jar-
rett spielt sie in einem swingen-
den Mediumtempo, wobei sich erst
zum Schluss das Thema einstellt.
In „Dance Of The Infidels“ knüpft
er an Powells kristallklar akzentu-
ierte Phrasierung an und kreiert
eine überbordende Improvisation
voll ereignisreicher Motivketten. Mit
seinem wuchtigen Bass-Spiel be-
gleitet Haden das Geschehen und
fasziniert mit Soli, in denen jeder
überflüssige Ton weggelassen wird.
Gerd Filtgen
MUSIK
KLANG
STEREO 7/2014 145